Richard Hossiep
•28 Oktober 2020
Wie viel Einfluss hat die physische Attraktivität in der Personalauswahl?
“Physische Attraktivität spielt keine Rolle.” Aber: Hand aufs Herz! Welche der beiden Kandidatinnen würdet ihr bei gleicher Eignung eher für einen Job einstellen?
Auf diesen zwei Fotos sind potenzielle Bewerberinnen für einen Job abgebildet, die sich nicht in ihrem Alter oder ihrer ethnischen Herkunft unterscheiden, wohl aber in ihrer physischen Attraktivität.*
Doch woran liegt es, dass ihr euch spontan vermutlich für die rechte Kandidatin entschieden hättet, auch wenn in dem gesuchten Beruf die physische Attraktivität der Bewerberinnen überhaupt keine Rolle spielt?
Hinter diesem Phänomen steckt der sogenannte „Halo-Effekt“! Im Allgemeinen beschreibt der Halo-Effekt eine kognitive Verzerrung, bei der eine Eigenschaft einer Person (z.B. die Attraktivität) andere Persönlichkeitseigenschaften „überstrahlt“ und diese somit positiver bewertet werden (Forgas & Laham, 2016).
Der Begriff „Halo-Effekt“ wurde erstmals von einem Forscher Namens Thorndike im Jahre 1920 verwendet. Thorndike fand heraus, dass Vorgesetzte ihre Soldaten nach einem festen Muster bewerteten. Die Soldaten, welche ihrer Meinung nach eine ansprechende Körperhaltung zeigten, wurden gleichzeitig auch in den Bereichen Intelligenz, Ausdauer, Führungsqualitäten und Charakterstärke positiver bewertet als die Soldaten mit schlechterer Körperhaltung. Ein positives Merkmal wurde hier also besonders berücksichtigt und „überstrahlt“ somit alle anderen Eigenschaften.
Der Halo-Effekt tritt wie im oberen Beispiel häufig im Zusammenhang mit der physischen Attraktivität von Personen auf und wird auch als „physical attractiveness stereotype“ bezeichnet. Attraktiven Menschen werden somit generell bessere Eigenschaften zugeschrieben (Standing, 2004).
Dieses Phänomen lässt sich auch im alltäglichen Leben sehr häufig beobachten. In verschiedenen Schulen konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Lehrer*innen den attraktiven Schüler*innen bessere Noten geben (French, Homer & Tapsell, 2009). Andersherum bewerten auch Studierende ihre Professor*innen als kompetenter, je höher die physische Attraktivität zuvor beurteilt wurde (Wilson, Beyer & Monteiro, 2014).
Der Halo-Effekt in der Personalauswahl
Auch in dem gesamten HR-Bereich konnte dieser Effekt bereits sehr häufig beobachtet und nachgewiesen werden. Diese, auf falschen Kriterien getroffene Personalauswahl, kann dann zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen bei den betroffenen Unternehmen führen.
Rooth (2009) konnte beispielsweise zeigen, dass attraktive Personen bei gleicher Jobqualifikation eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. In der Studie wurden knapp 2000 Bewerbungen an ausgeschriebene Stellen verschickt. Dabei wurden pro Stelle jeweils zwei Bewerbungen versendet, die sich in Bezug auf objektive Kriterien wie Lebensläufe, Qualifikationen und Anschreiben nicht voneinander unterschieden. Der einzige Unterschied lag dabei in der zuvor beurteilten Attraktivität der Bewerber*innen. Die attraktiveren Bewerber*innen wurden daraufhin deutlich häufiger zum persönlichen Gespräch eingeladen.
In einer weiteren Studie konnte diese Tendenz sogar festgestellt werden, obwohl die Arbeitgeber*innen zuvor in einem Fragebogen ausdrücklich angegeben haben, dass die Attraktivität der Bewerber*innen für die Stelle keine Relevanz hat und nicht berücksichtigt werden sollte (Shannon & Stark, 2003).
Eine, auf falschen Kriterien beruhende, Personalentscheidung kann dann auf unterschiedlichen Ebenen einen schlechten Einfluss auf das Unternehmen haben. Auf der monetären Ebene können beispielsweise Kosten für eine vorzeitige Freistellung entstehen, Kosten für einen neuen Recruiting-Prozess, es werden interne Kapazitäten für Training und Onboarding gebunden, Umsatz- und Marktanteilsverluste durch unproduktive Mitarbeit können entstehen sowie Image- oder Kundenverluste nach Beschwerden. Wenn diese gesamten Verluste aufsummiert werden, können massive Kosten entstehen (Niermann, 2019).
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*Um die Bloßstellung von realen Personen zu vermeiden, wurden diese Fotos von einer künstlichen Intelligenz erstellt und nach konventioneller Attraktivität bewertet. Die gezeigten Personen existieren in der Realität nicht.
Quellen
Forgas, J. P., & Laham, S. M. (2016). Halo effects. Cognitive illusions: Intriguing phenomena in judgement, thinking and memory, 276-290.
French, M. T., Robins, P. K., Homer, J. F., & Tapsell, L. M. (2009). Effects of physical attractiveness, personality, and grooming on academic performance in high school. Labour Economics, 16(4), 373-382.
Niermann, T. (2019, März 31). Falsche Personalentscheidung: Warnsignale und Defizite erkennen und handeln. Abgerufen 24. Oktober 2020, von https://www.personalwissen.de/falsche-personalentscheidung-unternehmen-retten/
Rooth, D. O. (2009). Obesity, attractiveness, and differential treatment in hiring a field experiment. Journal of human resources, 44(3), 710-735.
Shannon, M. L., & Stark, C. P. (2003). The influence of physical appearance on personnel selection. Social Behavior and Personality: an international journal, 31(6), 613-623.
Standing, L. G. (2004). Halo Effect. In M. S. Lewis-Black, A. Bryman, & T. F. Liao (Eds.), The SAGE Encyclopedia of Social Science Research Methods, Volume 1. Thousand Oaks, CA: SAGE Publications, Inc.
Thorndike, E. L. (1920). The Constant Error in Psychological Ratings. Journal of Applied Psychology, 4, 25-29.
Wilson, J. H., Beyer, D., & Monteiro, H. (2014). Professor age affects student ratings: Halo effect for younger teachers. College Teaching, 62(1), 20-24.