Mara Santidrián Korff
•28 Juni 2022
Was ist der Persönlichkeitsschutz und welche Fragen darfst Du im Interview stellen?
Laut der DIN 33430 sind alle Eignungsdiagnostiker*innen dazu verpflichtet die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine korrekte Eignungsbeurteilung zu kennen. Die einzelnen Vorgaben erklären wir Dir hier, sodass Du die rechtlichen Rahmenbedingungen für Deine Personalauswahl einhalten kannst.
Die rechtlichen Anforderungen an Eignungsdiagnostiker*innen setzten sich aus verschiedenen Themengebieten zusammen. Darunter:
- Persönlichkeitsschutz
- Mitbestimmung
- Datenschutz
- Berufspflichten
- Gütekriterien aus rechtlicher Sicht
- Rechtliche Bedeutung von DIN-Normen
In diesem ersten Teil erfährst Du, was der Persönlichkeitsschutz in der Personalauswahl bedeutet und wie Du teure Fehler im Interview vermeiden kannst.
Persönlichkeitsschutz
Als Teil der Verfassung ist der Persönlichkeitsschutz ein grundlegendes Recht, welches jedem*r Bürger*in zusteht. Auch in der Personalauswahl findet es Anwendung und setzt dem/der Arbeitgeber*in Grenzen.
Stellst Du beispielsweise ein Assessment Center zusammen, so ist es wichtig, dass du die Vorhergehensweisen und Verfahren gründlich auswählst. Das Persönlichkeitsrecht schützt Kandidat*innen vor unbefugtem Informationsinteresse. Laut der DIN 33430 für Eignungsdiagnostik, sind nur anforderungsbezogene Informationen auszuwerten.
Handelt es sich um stellen- oder positionsspezifische Merkmale, also sind bestimmte Merkmale für eine Stelle erforderlich, so sind Verfahren, die diese Merkmale für die Eignungsbeurteilung erheben, rechtlich zulässig. Beispielsweise erscheint es sinnvoll, dass das Geschlecht mit in die Beurteilung von Kandidat*innen einfließt, wenn es sich um eine Position handelt, die explizit ein Geschlecht benötigt (z.B.Sportlehrerin für die weiblichen Kinder an einer Schule)
Es mag für viele verwunderlich klingen, aber Verfahren, die die allgemeine Intelligenz ermitteln, sind in einem Auswahlverfahren unzulässig. Der Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 2017 sieht keine anforderungsrelevante Begründung in der Ermittlung der allgemeinen Intelligenz für den Arbeitsplatz – und das obwohl Intelligenz eine hohe Vorhersagekraft für den beruflichen Erfolg hat. Für Personaler*innen bedeutet das: Der Einsatz von Intelligenztests ist erlaubt, solange keine Interpretation der allgemeinen Intelligenz (also des IQs) eine* r Kandidat*in vorgenommen wird. Erlaubt sind also Rückschlüsse auf einzelne Dimensionen der Intelligenz, wie beispielsweise die Fähigkeit zum sprachlichen und rechnerischen Denken.
Grundsätzlich gilt: Bei jedem Verfahren der Personalauswahl ist die informierte Einwilligung der Kandidat*innen erforderlich. Das heißt, die Kandidat*innen müssen einwilligen, und wissen, wozu sie ihre Zustimmung erteilen. Ebenso müssen die Kandidat*innen dem Ablaufplan der Eignungsbeurteilung zustimmen. Sie müssen außerdem über die im Auswahlverfahren beteiligten Personen (Beobachter*innen, Eignungsdiagnostiker*innen, usw.) und deren Funktion aufgeklärt werden. Sie müssen darüber hinaus informiert werden, wie ihre Daten, d.h. ihre Verfahrensergebnisse (z.B. aus Intelligenztests, Persönlichkeitstests) verarbeitet werden.
Ein Beispiel für eine solche Einwilligung könnte lauten: Hiermit willige ich dem Inhalt, der Methodik und der Auswertung des X-Verfahrens ein. Ich wurde zuvor über das Merkblatt “Das X-Verfahren – Informationen für Kandidat*innen” über das Verfahren informiert. Ich nehme hiermit am Verfahren teil. Musterstadt, der ______ . ________(Unterschrift) |
Zulässigkeit von Interviewfragen
Das Interview stellt für viele Personaler*innen einen zentralen Aspekt des Auswahlverfahrens dar. Grundsätzlich sind alle Fragen zulässig, die auf für den Job relevante Informationen zielen. Hier findest Du einen Überblick über die rechtlich zulässigen Fragen, die Du im Rahmen eines Einstellungsinterviews stellen kannst.
Zulässige Fragen
Fragen zum Beruf und Bildung
- Schul-, Studien-, Ausbildungsabschluss
- Berufliche Qualifikationen
- Fachkenntnisse
- Sprachkenntnisse (sofern für die Stelle und Tätigkeit relevant)
- Beruflicher Werdegang
- Berufliche Erfahrungen (auch Nachfragen nach Erfolgen und Misserfolgen)
- Arbeitseinstellung – und motivation
- Weiterbildungspotenzial (z.B. Fort- und Ausbildungsmaßnahmen)
Fragen zur Person
- Einschränkungen bei der Arbeitsausübung (ausgenommen: Fragen (auch indirekt) nach Schwerbehinderung)
- Arbeitsrelevante Krankheiten (z.B. im Umgang mit Lebensmitteln)
- Alkohol- und Drogenabhängigkeit
Fragen zur neuen Tätigkeit
- Zeitliche Flexibilität (z.B. im Schichtdienst), örtliche Flexibilität (Rufbereitschaft)
- Gehaltsvorstellung (ggf. auch früheres Gehalt)
- Arbeitserlaubnis
- Verfügbarkeit bzw. Einstellungszeitpunkt
Speziellere zulässige Fragen (wenn relevant im Arbeitskontext)
Fragen zur Mobilität
- Fähigkeit und Bereitschaft zum Außendienst
- Fahrerlaubnis („Führerschein“)
- Versetzungsbereitschaft (Bereitschaft an einer anderen Dienststelle eingesetzt zu werden)
Fragen zur Person
- Einverständnis mit Rauchverbot
- Bereitschaft, die vorgesehene Uniform zu tragen
- Nachwirkendes Wettbewerbsverbot aus einer früheren Beschäftigung (z.B. anderes Jobangebot)
- Einschlägige Vorstrafen (nur berufsbezogene; nur Verurteilungen, die in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen wären)
Unzulässige Fragen
Fragen zur Person
- Schwangerschaft, Familienstand, Familienplanung
- Familien- oder Pflegeaufgaben
- Sexuelle Orientierung
- Behinderung/Schwerbehinderteneigenschaft (abstrakt ohne Stellenbezug)
- Gesundheitszustand (außer chronische Leiden, ansonsten allgemein unzulässig)
- Eigenschaft als Raucher*in
- Ethnische Zugehörigkeit
- Staatsangehörigkeit (im Unterschied zur zulässigen Frage nach der Arbeitserlaubnis (siehe oben)
Fragen zu politischen Ansichten
- Religion oder Weltanschauung
- Politische Einstellung oder Mitgliedschaft in einer Partei
- Abgeleisteter Wehr- oder Zivildienst
Sonstige
- Gehaltspfändungen, -abtretungen
Special Fact: Impfungen sind Teil des privaten Bereiches des Arbeitnehmers – Arbeitgeber können diese Informationen also nicht verlangen. Eine Auskunftspflicht bezogen auf Covid-19 wird zurzeit kontrovers diskutiert. Es liegt jedoch keine Pflicht vor, seinen Impf- oder Genesenenstatus bekannt zu geben. Wer keine Informationen über den Impf- oder Genesenenstatus preisgeben möchte, kann alternativ auch weiterhin einen aktuellen Testnachweis erbringen. Grundlegend hierfür ist das Infektionsschutzgesetz. |
Wie gehst Du mit Informationen um, die Du nicht erhalten haben dürftest?
Grundsätzlich solltest Du darauf achten, dass Du nur zulässige Fragen in einem Eignungsinterview stellst. Sollte es jedoch vorkommen, dass Du eine unzulässige Frage stellst, solltest Du der*dem Kandidat*in trotz dessen weiterhin eine faire Chance geben, am Auswahlverfahren erfolgreich teilnehmen zu können. Die Informationen, die Du dann erhalten hast, nehmen keinen Einfluss auf die Beurteilung. Kandidat*innen haben nämlich das Recht bei unzulässigen Fragen zu schweigen, der Frage auszuweichen oder sogar zu lügen (das sogenannte “Recht zur Lüge”).
Fazit
Beispiel Wird beispielsweise eine weibliche Person im Interview zur Schwangerschaft befragt (unzulässige Frage), so ist sie dazu berechtigt, eine Schwangerschaft zu verheimlichen oder zu lügen. Die rechtliche Grundlage ergibt sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Laut § 7 Abs. 1 AGG dürfen Bewerber*innen nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Eines dieser in § 1 AGG genannten Gründe ist das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die Bewerber*innen haben bei solchen unzulässigen Fragen nach § 1 AGG Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung nach § 15 AGG. |
Das Ziel der Arbeitgeber*in ist es, die Eignung von Kandidat*innen für eine vakante Stelle zu ermitteln. Dafür setzten sie Verfahren ein, von denen sie sich erhoffen, die bestmögliche Prognose für den beruflichen Erfolg von Kandidat*innen erstellen zu können. In der Regel werden dafür viele Informationen erhoben. Hier solltest Du darauf achten nur relevante Informationen zu sammeln.
Auf der anderen Seite sind Kandidat*innen daran interessiert, nicht alle Details ihrer Persönlichkeit und Privatsphäre preiszugeben (und das müssen sie auch nicht). Davor schützt sie der Persönlichkeitsschutz. Im Interview können Kandidat*innen daher falsche Angaben machen, wenn die Fragen unzulässig gestellt werden. Dies ist rechtens, da diese Fragen zu potenzieller Diskriminierung führen können. Laut dem dem AGG können Kandidat*innen bei Diskriminierungen im Auswahlprozess einen Ersatzanspruch stellen. Schlussendlich wird immer der*die Arbeitgeber*in für so ein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen. Deswegen solltest Du sowohl den Persönlichkeitsschutz wahren, als auch die Zulässigkeit der Fragen im Interview unbedingt vorher prüfen.