Mara Santidrián Korff
•10 August 2022
Warum eine gute Personalauswahl wichtiger ist als je zuvor
Besonders in Zeiten des “Fachkräftemangels” stellt es für Unternehmen eine immer größere Herausforderung dar geeignete Fachkräfte – und ja auch immer häufiger überhaupt Arbeitskräfte – zu finden. Doch welche Konsequenzen hat es für die Personalauswahl, wenn weniger geeignete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt sind?
Wir zeigen Dir, wie Du die Erfolgsquote Deiner Personalauswahl bestimmen kannst und warum gute Verfahren in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels wichtiger sind als je zuvor.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Du suchst für Dein Unternehmen neue IT-Mitarbeitende und setzt dafür ein unstrukturiertes Interview als Personalauswahlverfahren ein. Dafür möchtest Du wissen, wie gut Deine „Erfolgsquote“ ist, also wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, die Stelle mit einer tatsächlich geeigneten Person zu besetzen. Um die Erfolgsquote zu bestimmen, musst Du drei wichtige Kenngrößen berücksichtigen:
- Die Basisrate
- Die Selektionsquote
- Die Validität
Nummer 1: Die Basisrate
Ein Blick in die Jobportale zeigt, dass es viele offene Arbeitsstellen für akademisch ausgebildete Informatiker*innen gibt – allerdings gibt es deutlich weniger Informatiker*innen auf dem Arbeitsmarkt als benötigt werden.
Das bedeutet, dass ein Ungleichgewicht zwischen dem Bedarf und dem verfügbaren Angebot an qualifizierten Arbeitskräften herrscht. Ein solches Ungleichgewicht bezeichnet man als geringe Basisrate.
Die Basisrate beschreibt in der Personalauswahl den Anteil an geeigneten Bewerber*innen in einer Population. Meistens ist damit die Population der eigenen Bewerber*innen gemeint. In seltenen Fällen kann es sich aber auch um die Gesamtpopulation auf dem Arbeitsmarkt handeln.
Ohne den Fachkräftemangel ist die Anzahl an geeigneten und ungeeigneten potentiellen Bewerber*innen ausgeglichen. Durch gutes Personalmarketing ist es sogar möglich die Quote der geeigneten Personen im tatsächlichen Bewerberpool noch positiver ausfallen zu lassen. Gutes Personalmarketing verfolgt das Ziel der Selbstselektion der Bewerber*innen. Anhand von z.B. Stellenausschreibungen sollen die Bewerber*innen über ihre Eignung für den Beruf selbst entscheiden. Infolge erfolgreichem Personalmarketing, bewerben sich – im Idealfall – nur tatsächlich qualifizierte Personen für die Stelle und die Quote steigt deutlich an. In der Realität sieht das häufig anders aus.
Merke: Die Basisquote gibt also den Anteil der geeigneten Bewerber*innen berechnet an der Gesamtpopulation der eigenen Bewerber*innen an.
In unserem Beispiel: In dem Bewerber*innenpool für qualifizierte Informatiker*innen befinden sich sechs geeignete Bewerber*innen und zwei ungeeignete Bewerber*innen – das entspricht einer Basisrate von 75%.
Während des Fachkräftemangels gibt es weniger geeignete Bewerber*innen auf dem Arbeitsmarkt – die absolute Anzahl der potentiellen Bewerber*innen sinkt. Weiter bewerben sich weniger tatsächlich geeignete Personen – also sinkt auch der relative Anteil der geeigneten potentiellen Bewerber*innen. Die Konsequenz: eine deutliche Verringerung der Basisrate.
Für unser Beispiel bedeutet das Folgendes: Gute Informatiker*innen werden schneller vom Arbeitsmarkt genommen und erhalten eine Stelle als neue Informatiker*innen ausgebildet werden. Daher ist es realistischer von einer geringeren Basisrate von 25% auszugehen. Das entspricht einer*m qualifizierten Bewerber*in unter vier anderen Bewerber*innen.
Generell gilt: Eine hohe Basisrate führt zu einer besseren Erfolgsquote. Allerdings ist die Basisrate ein Wert auf den wir meist keinen Einfluss haben.
Nummer 2: Die Selektionsquote
Die zweite Größe, die für die Berechnung der Erfolgsquote von Bedeutung ist, ist die Selektionsquote. Die Selektionsquote ist der Anteil der Bewerber*innen, der im Unternehmen angestellt werden soll. Damit steht sie in direkter Interaktion mit der Basisrate.
Der obere Teil der Abbildung zeigt das folgende Beispiel: aus zwölf Bewerber*innen sollen drei Bewerber*innen ausgewählt und eingestellt werden. Dies entspricht einer Selektionsquote von 25%.
Durch die hohe Basisrate – also den hohen Anteil geeigneter Bewerber*innen – und durch die niedrige Selektionsquote – also die Anzahl an zu besetzenden Stellen – ist die Wahrscheinlichkeit auch durch reinen Zufall geeignete Kandidat*innen einzustellen, hoch. Denn bei vielen geeigneten Bewerber*innen und nur wenigen neu einzustellenden Mitarbeiter*innen ist die Chance gut, zufällig geeignete Bewerber*innen zu wählen.
In dem unteren Teil sind eine niedrigere Basisrate und eine höhere Selektionsquote dargestellt. Hier steigt die Wahrscheinlichkeit bei einer zufälligen Auswahl mehrere ungeeignete Kandidat*innen einzustellen: es stehen weniger geeignete Personen zur Verfügung, aber gleichzeitig muss ein größerer Anteil eingestellt werden.
Generell gilt: Eine niedrigere Selektionsquote führt zu einer besseren Erfolgsquote. Eignungsdiagnostiker*innen haben auf diesen Wert wenig Einfluss, da der Bedarf an Mitarbeiter*innen vorgegeben ist.
Nummer 3: Die Validität des Verfahrens
In der Realität sieht die Situation aber (hoffentlich) anders aus: Du überlässt die Entscheidung welche neuen Mitarbeiter*innen du einstellst, nicht dem Zufall. Viel eher setzt du gezielt Personalauswahlmethoden ein, um die Eignung der Bewerber*innen anhand der Ergebnisse festzustellen: durch strukturierte Interviews, Tests oder andere Potentialanalyseinstrumente. Die Genauigkeit mit der diese Instrumente die Eignung und den späteren beruflichen Erfolg der Bewerber*innen vorhersagen, bezeichnet man als prädiktive Validität.
Nehmen wir als Beispiel eine Basisrate und Selektionsquote von 0,50. Zusätzlich gehen wir von einer deutlich überhöhten Validität von 0.90 aus. In der Realität bewegen sich die Validitäten der Personalauswahlverfahren selten in so hohen Wertebereichen. Eines der am häufigsten genutzten Auswahlverfahren in der Personalauswahl ist das Einstellungsinterview. Bekannte Metaanalysen wie die von Schmidt & Hunter (1998) zeigen, dass die Validität von unstrukturierten Interviews bei unter 0.40 liegt, während die von strukturierten Interviews bei über 0.50 liegt.
Eine Kombination mehrerer valider Verfahren ermöglicht allerdings eine Verbesserung der sonst eher moderaten Validitätswerte der Personalauswahlverfahren.
Die hohe Validität (Gültigkeit) der Personalauswahlinstrumente ermöglicht es, zwischen allen Bewerber*innen den*die Geeignete*n zu identifizieren und ausschließlich diese*n einzustellen.
Generell gilt: Eine höhere Validität führt zu einer besseren Erfolgsquote. Dieser Kennwert kann und sollte durch die Personaler*innen mit Hilfe von geeigneten Personalauswahlinstrumenten gezielt beeinflusst werden.
Fazit: Die Taylor-Russell Tafeln und die Erfolgsquote
Diese Bestimmung der verschiedenen Kennwerte ist nicht willkürlich. Hierfür entwickelten Taylor und Russell bereits 1939 (!) eine Formel, um aus diesen drei Werten die Erfolgsquote, also wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die eingestellten Bewerber*innen auch tatsächlich für die Stelle geeignet sind, zu berechnen. Bei einer beispielhaften Erfolgsquote von 50% ist nur die Hälfte der eingestellten Bewerber*innen tatsächlich für den Job geeignet. Dabei entsprechen 50% der Zufallswahrscheinlichkeit, d.h. dass ein Münzwurf zu einer ebenso hohen Erfolgsquote führen würde. Daher ist es wichtige eine deutlich höhere Erfolgsquote anzustreben, mit dem Ziel möglichst viele tatsächlich geeignete Bewerber*innen einzustellen.
In einem Szenario mit vielen geeigneten Bewerber*innen (Basisrate 70%) und einer Selektionsquote von 50%, führt der Einsatz des unstrukturierten Interviews mit einer Validität von 0.40 zu einer zufriedenstellenden Erfolgsquote von 81%.
Bei einem starken Mangel an Fachkräften und einer somit deutlich geringeren Basisrate, sinkt die Erfolgsquote deutlich ab, auf 63% – nicht mehr weit entfernt von der Ratewahrscheinlichkeit.
Die beste Möglichkeit dem entgegenzuwirken, ist die Kombination mehrerer inkrementell valider Personalauswahlmethoden zu verwenden, d.h. dass die Validität durch die Verwendung mehrerer Methoden im Gegensatz zur Anwendung eines einzelnen Verfahrens zu erhöhen, sodass die zusätzlichen Verfahren so zu einer genaueren Personalentscheidung beitragen. In der Praxis könnte es sich beispielsweise um eine Kombination aus Tests, Interviews und Arbeitsproben, z.B. im Rahmen eines Assessment Centers (AC), handeln. Auf diese Weise steigt die Validität des Verfahrens an und in Folge dessen verbessert sich die Erfolgsquote.
Gerade in der aktuellen Situation des Arbeitsmarktes mit einem Fachkräftemangel steht die Personalauswahl vor neue Herausforderungen. Unternehmen mit guter Eignungsdiagnostik können diesen erfolgreich bewältigen und so zuverlässige und valide Personalentscheidungen treffen – der Einsatz geeigneter und sinnvoll kombinierter Auswahlinstrumente lohnt sich!
Zwecks einer zuverlässigen Personalauswahl bedeutet das also: Die Kombination aus mehreren (validen) Auswahlverfahren erhöht die Wahrscheinlichkeit geeignete Kandidat*innen einzustellen. Dabei gilt besonders: Je größer der Fachkräftemangel und der Mangel an geeigneten Arbeitskräften ist, desto wichtiger werden die Validität und Zuverlässigkeit der eingesetzten Personalauswahlverfahren. Anders als in einer Personalauswahlsituation mit einem großen Bewerber*innenangebot, MUSS bei nur wenigen Möglichkeiten die Entscheidung zuverlässig sein.
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